Erschreckende Normalisierung: Ein Viertel der Amerikaner hält antisemitische Gewalt für „verständlich“
Während Juden in den USA erneut ermordet, bedroht und terrorisiert werden, zeigen neue Umfragewerte ein moralisches Desaster: Millionen Amerikaner verharmlosen den Hass – oder teilen ihn offen.

Die Ergebnisse der neuen landesweiten Umfrage des Anti-Defamation League (ADL) Center for Antisemitism Research sind ein Schock – und ein Weckruf. Nach einer Reihe antisemitischer Angriffe in den USA, darunter ein Brandanschlag auf das Wohnhaus des jüdischen Gouverneurs Josh Shapiro sowie tödliche Attacken in Washington D.C. und Boulder, Colorado, zeigt sich: Antisemitismus ist längst kein Randphänomen mehr. Er wird toleriert, entschuldigt – und von Millionen offen verteidigt.
Fast jeder vierte Amerikaner (24 %) erklärte laut ADL-Befragung, die antisemitischen Gewalttaten seien „verständlich“. Weitere 15 % nannten sie „notwendig“, 13 % sogar „gerechtfertigt“. 22 % bestritten überhaupt, dass es sich um antisemitische Vorfälle gehandelt habe, und fast ebenso viele sahen darin gezielte „False-Flag“-Operationen zur angeblichen Imagepflege Israels.
Die Gewalt trifft Juden – der Zweifel trifft die Gesellschaft
Was diese Zahlen so erschütternd macht, ist nicht nur die Gewalt selbst, sondern ihre gesellschaftliche Begleitmusik: Das offene Einverständnis, das Misstrauen, die Relativierung. Der Präsident der ADL, Jonathan Greenblatt, formulierte es deutlich: „Dass ein Viertel der Amerikaner der Meinung ist, brutale Gewalt gegen Juden sei irgendwie nachvollziehbar, ist ein beispielloses Alarmsignal. Es zeigt, wie tief antisemitische Narrative bereits im Mainstream verankert sind.“ Seit dem 7. Oktober 2023, dem Massaker der Hamas an israelischen Zivilisten, sei der Hass kontinuierlich eskaliert. Die Folge: jüdische Bürger, die beschimpft, bedroht, geschlagen und ermordet werden – und eine Öffentlichkeit, die oft wegschaut.
Judenhass mit altem Muster: Loyalitätsverdacht und Medienkontrolle
Ein Blick auf die detaillierten Umfrageergebnisse offenbart ein antijüdisches Weltbild, das wie aus dem Lehrbuch stammt. 34 % der Befragten glauben, jüdische Amerikaner seien „Israel gegenüber loyaler als den USA“. 30 % unterstellen ihnen übermäßigen Einfluss in Politik und Medien. 27 % fordern gar, sie für israelische Entscheidungen haftbar zu machen – ein klassisches antisemitisches Kollektivschuld-Narrativ.
Besonders gravierend ist der Bruch entlang der Generationenlinie. Während 80 % der Angehörigen der „Silent Generation“ (Geburtsjahrgänge bis ca. 1945) Antisemitismus als ernstes Problem anerkennen, sind es bei Millennials (Jahrgänge 1981–1996) und der Generation Z nur gut die Hälfte. Gleichzeitig äußern 59 % der Gen Z Sympathie für anti-israelische Demonstranten – ein deutlicher Hinweis darauf, wie stark sich linke und aktivistische Milieus von antisemitischen Slogans instrumentalisieren lassen.
Zwischen Kritik und Hass: Was bedeutet Anti-Zionismus wirklich?
Die Umfrage zeigt auch ein tiefes Unverständnis für Begriffe und deren Wirkung: 34 % der Befragten gaben an, nicht zu wissen, was „Anti-Zionismus“ überhaupt bedeutet – während 58 % bestätigten, dass „Zionist“ häufig als Ersatzwort für „Jude“ verwendet wird. Und 68 % erkennen, dass Parolen wie „Globalize the Intifada“ oder „From the River to the Sea“ das Risiko antisemitischer Gewalt erhöhen. Diese Slogans, auf westlichen Uni-Campussen und Demonstrationen inzwischen omnipräsent, sind für viele keine schrillen Randtöne mehr, sondern Teil eines gefährlich enthemmten Diskurses.
Die Mehrheit ist besorgt – aber handelt sie auch?
Trotz all dieser alarmierenden Tendenzen zeigt die Umfrage auch: Die Mehrheit der Amerikaner erkennt den Ernst der Lage – zumindest theoretisch. 60 % bezeichnen Antisemitismus als ernstes Problem, 82 % fordern ein härteres Vorgehen gegen gewaltverherrlichende Hassrede im Netz, 77 % wünschen sich stärkere staatliche Maßnahmen. Die Einsicht ist da – doch die Frage bleibt, ob die demokratische Gesellschaft bereit ist, konsequent zu handeln, bevor sich das Fenster für einen Wandel wieder schließt.
ADL-Vizepräsident Matt Williams bringt es auf den Punkt: „Die Mehrheit lehnt Antisemitismus und Gewalt ab – aber Millionen glauben an Verschwörungen, rechtfertigen Angriffe und übernehmen extremistische Narrative. Jetzt ist der Moment, zu handeln, bevor dieser Hass vollständig gesellschaftsfähig wird.“
Autor: Redaktion
Artikel veröffentlicht am: Sonntag, 13. Juli 2025