Sie wollten ihn zur Waffe machen
Wie Hamas versuchte, Omer Shem Tov in eine tödliche Falle für israelische Soldaten zu verwandeln – und warum sein Überleben ein stiller Schrei nach Wahrheit ist.

Es war kein Verhör. Es war kein Gefangenenlager. Es war der Versuch, aus einem Menschen eine Bombe zu machen. 505 Tage lang hielt die Hamas Omer Shem Tov in Gaza fest – unter der Erde, in Dunkelheit, Hunger und Angst. Doch das Grauen gipfelte in dem Moment, in dem die Terroristen ihn zwingen wollten, einen Sprengsatz zu zünden, direkt über dem Tunnelsystem, in dem sie ihn gefangen hielten. Ziel der Aktion: israelische Soldaten töten. Shem Tov weigerte sich. Die Antwort auf die Pistole an seiner Schläfe: „Dann erschieß mich eben.“
Es ist eine Geschichte, die in ihrer Schlichtheit verstört. Nicht nur wegen der Grausamkeit der Täter, sondern auch wegen der stillen Größe eines jungen Mannes, der bei einem Musikfestival gefeiert hatte – und dann verschleppt wurde in die Hölle. Es war der 7. Oktober. Der Tag, an dem Hamas-Terroristen über 1.200 Israelis ermordeten und Hunderte verschleppten. Shem Tov war einer von ihnen. Heute ist er wieder frei – im Gegensatz zu 59 weiteren Geiseln. Und seine Stimme ist nicht mehr zum Schweigen zu bringen.
Die Taktik, mit der die Hamas ihn missbrauchen wollte, folgt einem perfiden Muster: Menschen als Waffen. Das Versprechen auf Leben gegen die Bereitschaft zur Mittäterschaft. Drei Millionen Schekel – so viel Geld warf man ihm auf den Boden, um ihn zu manipulieren. Das Resultat? Ein psychologischer Krieg gegen die eigene Moral. Doch Shem Tov knickte nicht ein.
Der ehemalige Geisel schildert, wie er hungerte – von zwei Pitas am Tag über Monate hinweg zu einem einzigen Keks täglich. Wie er salziges Wasser trank, wie die Dunkelheit ihn auffraß. Wie die Gewalt in den Tunneln zunahm, je näher israelische Soldaten kamen. Und wie er mit ansehen musste, wie sein Freund Ori Danino, der zunächst dem Massaker entkam, ermordet wurde, weil er zurückkehrte, um andere zu retten.
Shem Tovs Geschichte offenbart die innere Logik der Hamas: Menschenleben haben keinen Wert, weder das der Opfer noch das der eigenen Leute. Wer einen jungen Mann zu einer lebenden Falle machen will, dem geht es nicht um Palästina, nicht um Freiheit, nicht um Gerechtigkeit. Es geht einzig und allein um Vernichtung. Und das mit Methoden, die an den dunkelsten Abgrund der Menschlichkeit rühren.
Dass Shem Tov nicht zerbrach, ist ein Wunder. Er versuchte, mit seinen Bewachern ins Gespräch zu kommen, sang Lieder, suchte nach einem Rest an Menschlichkeit, wo längst nur Zynismus regierte. 450 Tage unter der Erde – dann endlich wieder Luft, Sonnenlicht, Hoffnung. Doch die Freiheit bringt keine Erlösung. Nur Fragen. Warum er? Warum lebt er – und andere nicht?
Die Antwort kennt er nicht. Er spricht nicht als Held, sondern als Überlebender. Und seine größte Sorge ist nicht sein eigenes Trauma, sondern die 59 Geiseln, die noch immer festgehalten werden. Es ist der vielleicht erschütterndste Satz seines Interviews: „Inwiefern bin ich mehr wert? Wir sind doch alle gleich.“
Und doch scheint es in der Weltpolitik eine Rangliste zu geben. Geiseln, deren Freilassung sich verzögert, weil politische Taktik über Menschenleben gestellt wird. Waffenpausen, die zerbrechen, bevor sie beginnen. Diplomatische Gespräche, die sich im Kreis drehen, während unter der Erde Menschen verdursten, verhungern, gebrochen werden.
Die Hamas ist keine Widerstandsbewegung. Sie ist eine Terrororganisation, die Kinder, Frauen und Männer nicht nur tötet – sie benutzt sie, verachtet sie, verdirbt sie. Wer das bagatellisiert, verschließt die Augen vor der Realität, die Omer Shem Tov 505 Tage lang ertragen musste.
Am Ende bleibt sein Blick. Leer, erschöpft, aber aufrecht. Er hat überlebt. Doch seine Geschichte ruft uns auf: Nicht wegzusehen. Nicht zu schweigen. Und nicht zu vergessen, dass jede Geisel mehr ist als ein diplomatisches Problem. Sie ist ein Mensch. Und jeder Tag, den sie noch in Gefangenschaft verbringen, ist ein Verbrechen – nicht nur an ihnen, sondern an uns allen.
Autor: Redaktion
Artikel veröffentlicht am: Freitag, 9. Mai 2025