Amerikanischer Druck auf Jerusalem wegen Gaza Waffenruhe
Washington wirft Israel vor, die Feuerpause mit der Tötung eines Hamas Kommandeurs verletzt zu haben. Jerusalem widerspricht entschieden und verweist auf fortgesetzte Brüche durch die Hamas. Die Auseinandersetzung trifft beide Regierungen in einer heiklen Phase – kurz vor Netanyahus Besuch bei Präsident Trump.

Der Schlag gegen Raad Saad war kaum vollzogen, da erreichten Jerusalem ungewöhnlich scharfe Botschaften aus Washington. Für die US Regierung steht fest, dass die gezielte Tötung des hochrangigen Hamas Kommandeurs eine Verletzung der Waffenruhe darstellt, die Präsident Trump nach harten Monaten diplomatischer Bemühungen durchgesetzt hatte. Für die amerikanische Seite ist dieser Schritt ein Affront: nicht nur gegen das Abkommen selbst, sondern gegen den Präsidenten, dessen Erfolg sie durch unkoordinierte israelische Entscheidungen empfindlich gefährdet sieht.
Jerusalem sieht darin eine Fehlinterpretation der Lage. Saad war einer der zentralen Organisatoren des Massakers vom 7 Oktober und arbeitete auch nach Beginn der Feuerpause daran, die militärischen Strukturen der Hamas neu zu organisieren. Israelische Sicherheitskreise betonen, dass die Terrororganisation die vereinbarte Ruhe mehrfach genutzt habe, um Waffen zu schmuggeln, Stellungssysteme auszubauen und israelische Soldaten zu attackieren. Aus dieser Sicht war der Schlag keine Provokation, sondern eine Reaktion auf einen Gegner, der die Abmachung nur einseitig ausnutzt.
Doch Washington blickt auf einen breiteren Kontext. Die US Diplomatie versucht derzeit, die fragile Waffenruhe zu stabilisieren, Ausbrüche neuer Gewalt zu verhindern und die Grundlagen für eine regionale Entspannung wiederherzustellen. Dazu gehört auch, arabische Partner einzubinden, die seit dem 7 Oktober zwischen Fassungslosigkeit, politischem Druck und eigener Unsicherheit schwanken. Jeder israelische Schritt, der in diesen Staaten als Missachtung der Feuerpause wahrgenommen wird, erschwert den amerikanischen Versuch, neue Brücken zu bauen.
In den USA wächst zudem die Sorge, Israel stelle Washington vor vollendete Tatsachen, statt gemeinsam zu planen. Berater des Präsidenten, darunter wichtige Figuren wie Kushner und Whitkoff, sollen zunehmend frustriert sein über das, was sie als mangelnde Abstimmung interpretieren. Der Zeitpunkt des Luftschlags – mitten in einer diplomatischen Phase höchster Empfindlichkeit – verstärkt diese Spannungen.
In Jerusalem wiederum herrscht die Überzeugung, dass Israels Sicherheit keine Pause kennt. Eine Waffenruhe wird nicht zur Selbstgefährdung, nur weil sie auf Papier steht. Sobald Hamas Strukturen erneuert, Angriffe versucht oder die Gelegenheit nutzt, operative Fähigkeiten auszubauen, betrachtet Israel dies als klare rote Linie. Dass Washington dies anders bewertet, sorgt für ein wachsendes Gefühl von Misstrauen.
Hinter diesem Konflikt verbirgt sich ein tiefer liegendes Problem: Beide Regierungen verfolgen dasselbe strategische Ziel, aber nicht dieselbe operative Logik. Die USA wollen Stabilität, Planbarkeit und diplomatische Räume. Israel braucht Handlungsfreiheit, sobald eine Bedrohung entsteht. Beide Interessen sind legitim – doch sie kollidieren, wenn Terrororganisationen eine Pause systematisch missbrauchen und Washington gleichzeitig auf strikte Einhaltung drängt.
Für Netanyahu wird die kommende Begegnung mit Präsident Trump entscheidend. Das Verhältnis beider Führungen ist enger als zu früheren amerikanischen Regierungen, doch nicht frei von Reibung. Jerusalem erwartet Verständnis für die Notwendigkeit, Terrorführer auszuschalten, bevor sie wieder zuschlagen. Washington erwartet ein Israel, das Rücksprache hält, bevor es Entscheidungen trifft, die weltweite diplomatische Bemühungen beeinflussen.
Die Frage, wie beide Staaten eine gemeinsame Linie finden, entscheidet über weit mehr als die Zukunft der Feuerpause. Sie entscheidet darüber, ob Israel im regionalen Gefüge neue Verbündete gewinnt oder verliert, ob internationale Partner der israelischen Sicherheitsdoktrin vertrauen – und ob der fragile Übergang von Krieg zu Nachkriegsordnung im Gazastreifen gelingt oder scheitert.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: GPO
Artikel veröffentlicht am: Montag, 15. Dezember 2025