Noch kein Durchbruch – Hamas verlangt Garantien, Israel warnt vor neuen Täuschungen
Die Hamas spricht von Fortschritt, doch die Forderungen klingen wie Ultimaten. Während Israel sich auf konkrete Schritte einlassen könnte, stellt die Terrororganisation Bedingungen, die auf eine strategische Aushöhlung der israelischen Position hinauslaufen. Der amerikanische Sondergesandte Steve Wietkoff steht nun im Zentrum entscheidender Tage.

Noch gibt es kein Abkommen. Doch die Schlagzeilen klingen bereits nach Hoffnung: Ein 60-tägiger Waffenstillstand könnte bald verkündet werden – vielleicht schon dieses Wochenende, vielleicht in Doha, vielleicht von dem amerikanischen Sondergesandten Steve Wietkoff. Hinter diesen diplomatischen Formeln jedoch verbirgt sich ein zäher, gefährlicher Verhandlungskampf, bei dem die Hamas versucht, mehr zu retten, als sie militärisch verteidigen kann: ihre politische Kontrolle über den Gazastreifen und das Bild einer Organisation, die Israels Regierung auf internationaler Bühne herausfordert.
In einem seltenen Eingeständnis spricht die Hamas gegenüber arabischen Medien von einem „ernsten“ Verhandlungsprozess – „ernster als alle vorherigen Runden“. Doch es folgt ein klares Aber: „Das Tempo ist langsam, keine einzige Streitfrage wurde bislang entschieden.“ Der Grund dafür sei, so die Hamas, dass man wichtige Änderungen an der bestehenden Vermittlungsvorlage verlangt habe – Änderungen, die „für die Palästinenser von größter Bedeutung“ seien. Tatsächlich betreffen diese Änderungen nicht Randfragen – sondern den Kern des Konflikts.
Vier Forderungen mit Sprengkraft
Laut einem Bericht der katarischen Zeitung al-Arabi al-Dschadid, der sich auf direkte Verhandlungskreise beruft, stehen aktuell vier Hauptforderungen der Hamas im Raum:
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Ausschluss der amerikanischen Gaza-Stiftung aus der Hilfsverteilung
Die Hamas will, dass humanitäre Hilfe nicht länger durch die US-unterstützte Gaza-Hilfsstiftung verteilt wird, sondern stattdessen unter Kontrolle des UNO-Systems. Diese Forderung ist mehr als Bürokratie: Sie zielt darauf ab, die israelische Aufsicht über Hilfslieferungen zu umgehen und stattdessen wieder eigene Strukturen zu etablieren.
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Rückzug der IDF – mit Karten und Kalender
Eine der brisantesten Forderungen betrifft den vollständigen Rückzug der israelischen Streitkräfte aus dem Gazastreifen – stufenweise, aber mit konkretem Zeitplan und festgelegten geografischen Karten. Israel hat sich bisher geweigert, solche Zusagen vor einer Freilassung der Geiseln zu machen. Die Hamas hingegen besteht auf einer verbindlichen Sequenz: erst Rückzug, dann Freilassung.
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Geiseln gegen Gefangene – aber nur mit Namenslisten
Israel fordert die Offenlegung der Namen der zehn israelischen Geiseln, die im ersten Schritt freigelassen werden sollen. Die Hamas lehnt das ab – es sei denn, sie erhalte im Gegenzug die Namen der palästinensischen Gefangenen, die Israel freigeben will. Offenbar geht es der Terrororganisation darum, ihre Freilassungsliste gezielt zu beeinflussen.
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Eine Garantie für Kriegsende – nicht nur Waffenruhe
Die heikelste Forderung aber betrifft den Charakter der Vereinbarung: Die Hamas will sich nicht mit einer temporären Waffenruhe zufriedengeben. Sie verlangt internationale, am liebsten amerikanische Garantien, dass der Krieg nach Ablauf der 60 Tage nicht erneut beginnt. Anders gesagt: ein faktisches Kriegsende, ohne dass Israel seine Ziele – wie die vollständige Entmachtung der Hamas – erreicht hätte.
Israel blockiert, Hamas provoziert
Aus israelischer Sicht sind diese Forderungen ein gefährliches Spiel. Offizielle Kreise werfen der Hamas vor, „neue Krisen zu erzeugen“, statt sich an das bereits ausgehandelte Grundgerüst zu halten. Vor allem die Blockadehaltung in Bezug auf den Grenzübergang Rafah sorgt für Spannungen: Israel ist bereit, kranke oder humanitär gefährdete Personen ausreisen zu lassen – verweigert aber bislang die generelle Rückkehr von Zivilisten nach Gaza, solange Hamas weiterhin Kontrolle über Teile des Gebiets ausübt.
Intern wird auch vermutet, dass die Hamas die Geiselfrage bewusst verzögert, um Druck auf Israel auszuüben. Es geht nicht mehr nur um Zahlen, sondern um Namen. Laut Insidern wird über ein Modell verhandelt, das sich an früheren Deals orientiert – womöglich ein Hinweis auf das Gilad-Schalit-Abkommen, bei dem Israel über 1.000 Gefangene freiließ.
Wietkoff als Schlüsselspieler – aber nur bei Einigung
Der amerikanische Sondergesandte Steve Wietkoff, ein Vertrauter von Präsident Trump, soll laut katarischen Quellen am Freitag oder Samstag nach Doha reisen – jedoch nur, wenn bis dahin Einigkeit über alle zentralen Punkte besteht. Noch ist unklar, ob das gelingt. Ein Verhandlungsteilnehmer wird mit den Worten zitiert: „Die Chancen auf Erfolg stehen exakt gleich wie die auf Scheitern.“ Und weiter: „Gegen Ende der Woche wird sich entscheiden, ob wir vor einem Durchbruch stehen – oder vor einem weiteren gescheiterten Versuch.“
Wietkoffs Ankunft soll eine Inszenierung sein: ein „großes Ereignis“, wie es hinter den Kulissen heißt. Doch ohne tragfähige Kompromisse ist auch ein PR-Moment nichts weiter als Kulisse. Vor allem in der Frage der Garantien für das Kriegsende dürfte Israel nicht nachgeben. Denn eine Hamas, die einen Waffenstillstand ohne Entwaffnung erhält, ist nicht befriedet – sondern gestärkt.
Die Vermittler – Katar und Ägypten – bemühen sich, eine Formel zu finden, die alle Seiten zumindest taktisch zufriedenstellt. Etwa: eine graduelle Waffenruhe als Einstieg, mit stufenweisen Vereinbarungen über Rückzug, Wiederaufbau und Geiselübergabe. Doch solange Hamas auf politischen Gewinn aus ist, bleibt jede Einigung fragil.
Autor: Redaktion
Artikel veröffentlicht am: Dienstag, 8. Juli 2025