Ein Gazastreifen ohne Hamas: Israel Katz zeichnet Umrisse des „Tages danach“
Israels Verteidigungsminister spricht erstmals offen über das, was nach dem Krieg kommen soll – ein Gazastreifen ohne Hamas, kontrollierte humanitäre Zonen und regionale Zusammenarbeit. Doch zentrale Fragen bleiben offen.

Es ist ein Satz, der hängenbleibt: „Der Tag danach wird Hamas-frei sein.“ Mit diesen Worten skizziert Israels Verteidigungsminister Israel Katz in einem Interview neue Details zu Israels langfristiger Strategie für den Gazastreifen – nach dem Krieg. Zum ersten Mal spricht ein Kabinettsmitglied in dieser Klarheit über mögliche humanitäre, sicherheitspolitische und geopolitische Arrangements für die Zeit nach der militärischen Eskalation, und doch bleiben viele Elemente bewusst vage.
Katz äußert sich optimistisch, dass in naher Zukunft zumindest ein 60-tägiger Waffenstillstand erreicht werden könnte. Er bestätigt, dass ein Großteil der Parameter bereits verhandelt sei. Demnach würde die Terrororganisation Hamas zehn lebende Geiseln freilassen und etwa die Hälfte der getöteten Geiseln übergeben. Der Gesamtbestand der von Hamas festgehaltenen Geiseln würde damit von etwa 50 auf rund 25 reduziert – ursprünglich waren es über 250.
Auch militärisch zeichnet sich eine neue Phase ab: Israel ist bereit, sich aus großen Teilen der seit März kontrollierten 75 % des Gazastreifens zurückzuziehen – mit Ausnahme eines Sicherheitskorridors, der mindestens so groß bleiben soll wie jener nach der Waffenruhe im Januar. Strittig bleibt, wie genau diese neue Sicherheitslinie verlaufen soll.
Neue humanitäre Zone für 600.000 Menschen – aber mit Einlasskontrolle
Ein neuer, besonders aufschlussreicher Punkt in Katz’ Aussagen betrifft den geplanten Aufbau einer humanitären Schutzzone im Raum Rafah. Dort sollen nach seinen Worten bis zu 600.000 palästinensische Zivilisten Zuflucht finden – in einem Bereich, der ausdrücklich frei von Hamas sein soll.
Der Zugang zur Zone werde streng kontrolliert, sagte Katz: Nur wer keine Waffen mit sich führe, dürfe hinein. Wer sich innerhalb der Zone befinde, sei aus Sicht Israels kein Sicherheitsrisiko – und gleichzeitig sicher vor militärischen Angriffen. Die Zone solle mit ausreichend Nahrung, Unterkunft und medizinischer Versorgung ausgestattet sein, um ein halbwegs stabiles ziviles Leben zu ermöglichen.
Ziel sei es, der Bevölkerung zu zeigen, dass ein Leben ohne Hamas realisierbar und menschlicher sei – mit dem langfristigen Effekt, das Rückgrat der Terrororganisation zu schwächen. Katz sagte offen: „Wir wollen große Bevölkerungsgruppen dauerhaft dem Einfluss der Hamas entziehen.“
Ein zentrales Element dabei: Die Fortsetzung der Aktivitäten der Gaza Humanitarian Foundation (GHF), die laut israelischer Sicht die Hamas von der Kontrolle über Lebensmittelversorgung verdrängt – zumindest im Süden des Gazastreifens. Katz stellte klar, dass Israel ein Interesse daran habe, dass GHF weiterarbeitet. Die Organisation war zuletzt ins Visier von Spekulationen geraten, sie könne Teil eines Umsiedlungsplans sein – was sie jedoch ausdrücklich bestreitet.
Hamas soll sich weder bewaffnet noch politisch neu formieren
Katz machte deutlich, dass Israel keine Rückkehr der Hamas dulden werde – weder als militärische noch als politische Organisation. Zwar sei unklar, welcher Teil der Hamas-Führung überhaupt noch lebe – Israel habe in den vergangenen 20 Monaten zentrale Figuren gezielt eliminiert, darunter Yahya Sinwar, Mohammed Deif, Ismail Haniyeh, Marwan Issa und Saleh al-Arouri. Doch Katz betonte, das Ziel bleibe: Die Führung, sofern noch vorhanden, solle aus dem Gazastreifen vertrieben werden.
Der Verteidigungsminister sagte zugleich, dass die Hamas versuche, sich als politische Schattenmacht zu erhalten – ohne offiziell zu regieren, aber mit verdecktem Einfluss. Auch das sei nicht akzeptabel. Israel wolle verhindern, dass sich die Organisation, auch unter neuem Deckmantel, bewaffnet oder politisch reorganisiert.
Wer soll Gaza künftig verwalten?
Katz sprach auch über die langfristige Verwaltung des Gazastreifens. Sein Modell: eine internationale und regionale Struktur mit Akteuren wie Ägypten, Jordanien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien und den USA. Doch es gibt einen Haken: Alle diese Länder verlangen die Einbindung der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA). Israel lehnt das derzeit kategorisch ab – und die PA selbst wiederum lehnt es ab, eine Rolle zu spielen, ohne offiziell dafür anerkannt zu werden.
Bisherige Vorschläge, Vertreter der PA ohne offizielle Bezeichnung einzubinden, waren sowohl in Jerusalem als auch in Ramallah auf Ablehnung gestoßen. Ob sich daran etwas ändert, bleibt offen.
Keine weiteren Großoffensiven – wegen der Geiseln
Bemerkenswert ist auch ein Sinneswandel, den Katz im militärischen Bereich andeutet. Er räumt ein, dass eine Fortsetzung des Krieges in den letzten noch nicht kontrollierten 25 % des Gazastreifens das Leben der verbliebenen Geiseln akut gefährden könnte. Diese Position markiert einen Bruch mit früheren Aussagen der Regierung, die stets betont hatte, militärischer Druck sei der beste Hebel zur Freilassung von Geiseln.
Mit dieser Aussage schließt sich Katz offenbar der Linie des neuen Generalstabschefs Eyal Zamir an, der sich ebenfalls für ein baldiges Ende der Großoffensive ausspricht – nicht aus Schwäche, sondern aus strategischer Vernunft.
Autor: Redaktion
Artikel veröffentlicht am: Dienstag, 8. Juli 2025