Wer ist Yasser Abu Shabab – Israels „stiller Partner“ gegen die Hamas?


Ein dubioser Milizenführer übernimmt das Vakuum in Rafah – mit stillschweigender Unterstützung aus Israel und alten Verbindungen zur Fatah. Doch wer schützt Gaza wirklich vor der Hamas – und wer schafft nur neue Abhängigkeiten?

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Yasser Abu Shabab war bislang kaum jemandem außerhalb des Gazastreifens ein Begriff. Jetzt ist er zum wichtigsten Namen im Süden der Enklave geworden. Als ehemaliges Fatah-Mitglied, mit Wurzeln im Beduinenstamm der Tarabin, hat er sich während des Kriegs eine eigene Miliz aufgebaut – eine Gruppe von 100 bis 300 Bewaffneten, die zunehmend als Schutzmacht in einem Raum auftreten, den Hamas immer weniger kontrollieren kann.

Laut israelischen Medienberichten soll die Miliz von Abu Shabab in den ersten Kriegsmonaten durch die Aneignung humanitärer Hilfsgüter an Einfluss gewonnen haben. Heute agiert sie offen in den Gebieten östlich von Rafah – und bietet palästinensischen Familien dort gezielt Schutz, Nahrung und Unterkünfte an. In einem Video, das über soziale Netzwerke verbreitet wurde, ruft Abu Shabab dazu auf, in ein eigens errichtetes Zeltlager umzuziehen. Es sei sicher, versorgt mit Medikamenten und Lebensmitteln – und frei von der Kontrolle durch Hamas.

Obwohl es keine offizielle Bestätigung gibt, verdichten sich die Hinweise darauf, dass Israel den Aufstieg der Gruppe unterstützt. Offen ausgesprochen hat es der ehemalige Verteidigungsminister Avigdor Lieberman: In einem Interview sagte er, Israel habe begonnen, lokale Milizen im Gazastreifen mit Waffen auszustatten. In Jerusalem dementierte man nicht – und in Gaza gilt es ohnehin längst als offenes Geheimnis.

In der Bevölkerung stößt Abu Shababs Angebot auf Interesse. Zahlreiche Bewohner der Region, erschöpft von den Kämpfen, ohne Schutz und Perspektive, suchen nach alternativen Orten, die Sicherheit versprechen. Einige melden sich telefonisch bei der Miliz, um nach einem Platz in der Zeltstadt zu fragen. Im Gespräch mit einem Mitglied der Gruppe, das sich als Abu Ali vorstellt, wird betont: „Hamas ist hier nicht mehr präsent. Sollte sich eine Einheit von ihnen zeigen, werden wir sie bekämpfen.“

Der Konflikt zwischen Hamas und Abu Shabab spitzt sich zu. In einem ihrer jüngsten Propagandavideos behauptete Hamas zunächst, israelische Spezialkräfte getroffen zu haben – später korrigierte man sich und erklärte, es habe sich um Mitglieder von Abu Shababs Gruppe gehandelt. Ein seltener Moment, in dem öffentlich wird, wie sehr Hamas die Kontrolle in Teilen der Region verloren hat.

Israel hat in den vergangenen Monaten mehrfach versucht, durch Kooperation mit lokalen Clans oder Familienstrukturen eine alternative Ordnung zu etablieren – meist erfolglos. Der Fall Abu Shabab scheint erstmals das Potenzial zu bieten, einen ernstzunehmenden Gegenpol zur islamistischen Hamas aufzubauen. Doch auch wenn der Mann Kontakte zur Palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah pflegt, bleibt die zentrale Frage: Ist seine Miliz tragfähig genug für mehr als ein Machtvakuum?

Denn der Aufstieg einer bewaffneten Gruppe allein garantiert noch keine stabile Ordnung. Abu Shabab mag ein Gegengewicht zu Hamas darstellen, doch langfristige Perspektiven hängen nicht allein von lokaler Macht und israelischer Unterstützung ab, sondern von politischen Strukturen, die echte Verantwortung übernehmen können.

Währenddessen nutzen andere Gruppen die entstandene Unsicherheit: In den letzten Wochen mehren sich Berichte über das Wiedererstarken salafistischer Kräfte in Gaza – einige mit Verbindungen zum sogenannten Islamischen Staat. Sie operieren vor allem im Schatten der Instabilität, nachdem Hamas viele ihrer Gefängnisse aufgegeben hat.

Gaza ist heute zersplitterter denn je. Der Aufstieg Abu Shababs zeigt, dass sich Teile der Bevölkerung nach Ordnung sehnen – auch außerhalb der gewohnten Machtzentren. Ob sich daraus mehr entwickelt, bleibt offen. Doch zum ersten Mal seit Jahren scheint eine alternative Machtstruktur auf dem Boden Gazas Fuß zu fassen, die zumindest für Teile der Bevölkerung Stabilität verspricht.

Autor: Redaktion
Bild Quelle: Screenshot

Artikel veröffentlicht am: Freitag, 6. Juni 2025

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