Getäuscht, getötet, verteidigt – und nicht verschwiegen


Was in Kissufim geschah, war Grauen. Was danach geschah, war Größe. Israels Armee stellt sich ihrer Verantwortung – und zeigt, was eine Demokratie ausmacht.

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Am Morgen des 7. Oktober 2023 verwandelte sich das kleine Kibbutz Kissufim in ein Schlachtfeld. Was dort geschah, war die brutale Realität eines von Hass getriebenen Überfalls: 150 Hamas-Terroristen stürmten in mehreren Wellen das Gebiet, mordeten systematisch – Soldaten, Zivilisten, thailändische Gastarbeiter. Insgesamt 45 Menschen wurden in und um Kissufim ermordet. Aber es war nicht nur der Terror, der tötete. Es war auch das Chaos, die Angst – und tragischerweise die eigene Seite. Ein junger Israeli, Tom Godu, wurde von IDF-Soldaten erschossen. Sie hielten ihn für einen Angreifer.

In jedem anderen Land hätte man diesen Vorfall vertuscht, beschönigt, in Schweigen gehüllt. Nicht so in Israel.

Die IDF hat ihren Einsatz selbst untersucht. Und sie hat Fehler zugegeben. Öffentlich. Schonungslos. Das ist keine Schwäche. Das ist eine der stärksten Antworten, die eine demokratische Gesellschaft auf Terror, Krieg und eigenes Versagen geben kann.

Kissufim – der Tag, an dem alles zusammenbrach

Es war ein koordinierter Angriff, ausgeführt mit brutaler Präzision. Während viele andere Armeestützpunkte am 7. Oktober schnell überrannt wurden, konnte sich die 51. IDF-Bataillonseinheit in Kissufim länger behaupten. Sie leisteten erbitterten Widerstand, stoppten Angreifer, zwangen sie zum Rückzug in Richtung Kibbutz. Doch am Ende drangen rund 40 Hamas-Kämpfer auf die Armeebasis vor, etwa 60 ins Kibbutz. Sie mordeten, brandschatzten, zerstörten – unter den Getöteten: 27 Soldaten, zehn Zivilisten, sechs thailändische Arbeiter, ein Mitglied der lokalen Sicherheitskräfte.

Einige Bewohner öffneten den Terroristen die Türen – in dem Glauben, es seien israelische Soldaten. Die Täter hatten auf Hebräisch gerufen: „IDF, kommt raus!“ Als die Türen sich öffneten, eröffneten sie das Feuer.

Verteidigung mit Würde – und die tödliche Verwirrung

Was folgt, ist einerseits eine Geschichte des Mutes: 25 Hamas-Terroristen wurden an der Basis getötet, 30 im Kibbutz selbst, 50 weitere in der Umgebung. Doch es ist auch eine Geschichte der tragischen Fehler: Die Lage war unübersichtlich, der Feind oft unsichtbar – getarnt, versteckt, wartend. Und genau das führte zu tödlichen Fehlentscheidungen.

Tom Godu war einer von denen, die nicht von Hamas-Terroristen getötet wurden – sondern durch Schüsse der eigenen Armee. Die Soldaten hatten arabische Stimmen gehört – und ohne zu prüfen, ohne zu rufen, ohne Gewissheit zu haben, eröffneten sie das Feuer auf ein Haus. Die Stimmen kamen aus einem Nachbargebäude. Godu war unbewaffnet. Ein junger Israeli, erschossen im eigenen Land, von Soldaten, die eigentlich sein Leben schützen sollten.

Auch andere Zivilisten gerieten ins Visier eigener Einheiten – Häuser wurden beschossen, in denen noch Überlebende versteckt waren. Menschen rannten in letzter Sekunde ins Freie, entkamen nur knapp dem Tod durch Freundeshand.

Eine Armee, die hinsieht

Die interne Untersuchung der IDF verschweigt nichts. Sie benennt Versäumnisse klar: mangelndes Training im Kampf auf israelischem Terrain, unzureichende Kommunikation, das Fehlen der Spezialeinheit YAMAM zur Terrorabwehr, die erst viel zu spät eintraf. Und sie benennt den fundamentalen Fehler: dass Soldaten nicht auf Häuser mit möglichen Zivilisten hätten schießen dürfen, ohne jede visuelle Bestätigung.

Doch nicht nur die Armee stellt sich. Auch die Medien berichten. Offen, kritisch, detailliert. Kein General verbietet die Veröffentlichung, kein Minister bedroht Reporter. Das ist es, was eine freie Gesellschaft auszeichnet. Und was Israel fundamental unterscheidet – von seinen Feinden und auch von vielen seiner Kritiker.

Kritik ist kein Angriff – sie ist ein Versprechen

Dass über eigene Fehler gesprochen wird, ist kein Zeichen von Schwäche. Es ist das, was Israel stark macht. In Gaza gibt es keine solche Aufarbeitung. In Gaza gibt es keinen Raum für Kritik an Hamas. Dort würde niemand über die Ermordung von Zivilisten durch die eigenen Reihen schreiben dürfen. Dort würde ein Bericht wie dieser nicht erscheinen. Und genau deshalb ist es so wichtig, dass er in Israel erscheint.

Kissufim bleibt ein Ort des Schmerzes. Der Verlust ist nicht zu reparieren. Aber aus dem, was falsch lief, wird gelernt – nicht heimlich, sondern offen. Das schuldet man nicht nur den Getöteten. Sondern auch sich selbst – als demokratisches Land.

Autor: Redaktion
Bild Quelle: IDF

Artikel veröffentlicht am: Donnerstag, 22. Mai 2025

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