Trump bremst Sanktionen – und Teheran pfeift auf Washingtons Atomdeal
Irans Führung erklärt den US-Vorschlag für "einseitig und wertlos" – während in Washington plötzlich Stille herrscht im Machtinstrument Sanktionspolitik.

Die Nachricht hätte eigentlich für weltweite Erleichterung sorgen können: Washington hat ein neues, „detailliertes und vernünftiges“ Angebot für ein Atomabkommen an Teheran übermittelt – doch in der Islamischen Republik reagiert niemand mit Hoffnung. Im Gegenteil. Ein hochrangiger iranischer Diplomat machte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters klar: Die Antwort werde negativ ausfallen. Die amerikanische Offerte sei nicht nur ungenügend – sie sei „nicht einmal der Anfang“ eines ernstzunehmenden Prozesses. Kein Entgegenkommen bei der Urananreicherung, keine Klarheit bei der Aufhebung von Sanktionen, keine Anerkennung der iranischen Maximalforderungen. Für die Führung in Teheran ist das, was Washington als diplomatischen Fortschritt verkaufen will, schlicht eine Provokation.
Und genau das ist das eigentlich Überraschende an diesem Moment der internationalen Diplomatie: Während die Islamische Republik demonstrativ jede amerikanische Geste zurückweist, scheint die US-Regierung selbst einen Gang zurückzuschalten – nicht nur rhetorisch, sondern vor allem strategisch. Laut einem Bericht des Wall Street Journal wurden seit dem 21. Mai keine neuen Sanktionen mehr gegen Iran verhängt. Eine Anweisung aus dem Weißen Haus, so heißt es, habe alle weiteren Maßnahmen auf Eis gelegt. Auch laufende Vorbereitungen im US-Finanzministerium seien gestoppt worden. Öffentlich will das Weiße Haus davon nichts wissen – aber dementiert wird es auch nicht.
Was steckt hinter diesem Kurswechsel?
Trump war stets stolz auf seine Politik des „maximalen Drucks“ gegenüber dem Mullah-Regime – eine Strategie, die wirtschaftlich tatsächlich Wirkung zeigte, vor allem durch die Drosselung von Ölexporten und die weitgehende Isolierung Irans von internationalen Märkten. Doch jetzt scheint dieser Druckmechanismus ins Stocken geraten. Laut internen Quellen seien zentrale Entscheidungsträger von dem plötzlichen Kurswechsel überrascht worden. Offiziell wird von einer „geplanten Überprüfung“ gesprochen – doch viele vermuten interne Unstimmigkeiten oder gar ein Machtvakuum innerhalb der US-Regierung bei diesem heiklen Thema.
Gleichzeitig wächst der Unmut unter Irans Gegnern im Westen. Während Teheran öffentlich weiterhin auf sein vermeintliches Recht zur Urananreicherung pocht – und laut dem aktuellen Quartalsbericht der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) inzwischen 408,6 Kilogramm Uran auf 60 Prozent angereichert hält – wird die internationale Kontrolle weiter unterlaufen. Seit April lässt das Regime keine Inspektionen mehr in zentralen Atomanlagen zu. Der IAEA-Vorsitzende Rafael Grossi warnte ausdrücklich: Solange Iran keine volle Transparenz gewährt, könne niemand guten Gewissens behaupten, das Atomprogramm diene ausschließlich zivilen Zwecken.
Es ist kein Zufall, dass die israelische Regierung – ungewöhnlich deutlich und auf Englisch – am Wochenende zur „sofortigen internationalen Intervention“ aufrief. Premierminister Netanjahu sprach von einer klaren Bedrohung der regionalen Stabilität, nicht zuletzt, weil das iranische Atomprogramm in Kombination mit der Waffenhilfe an Terrorgruppen wie Hisbollah und Huthi längst kein rein nationales Thema mehr ist. Die neue Eiszeit zwischen den USA und Iran könnte damit zur gefährlichsten Phase seit Jahren werden – denn mit jeder diplomatischen Leerstelle wächst die Wahrscheinlichkeit, dass Worte durch Waffen ersetzt werden.
Und während einige in Washington hoffen, durch Innehalten Signale zu setzen, sieht Teheran genau das als Schwäche. In der iranischen Presse wird die US-Offerte verspottet, als „Fantasie“, als Zeichen amerikanischer Verzweiflung. Tatsächlich berichten informierte Kreise in Teheran davon, dass eine endgültige Antwort auf die US-Vorschläge bereits in Form eines ablehnenden Schreibens vorbereitet wird – im Namen von Außenminister Abbas Araghchi, aber unter der strengen Aufsicht des Revolutionsführers Ali Chamenei.
Noch dramatischer ist: Die aktuelle Entwicklung entfaltet sich vor dem Hintergrund eines zunehmend instabilen Nahen Ostens. Berichte über geheime Atomanlagen, neue Raketenprogramme und Irans wachsendes militärisches Netzwerk von Syrien bis zum Jemen beunruhigen nicht nur Israel, sondern auch europäische Hauptstädte. Dass die USA ausgerechnet jetzt ihre Druckmittel aussetzen – und das offenbar ohne klare Koordination innerhalb der Regierung –, wirkt für viele wie ein gefährliches politisches Vakuum.
Trumps Team erklärt, man wolle lediglich neue Optionen prüfen – mit der nötigen Sorgfalt. Doch Kritiker sehen darin einen Rückfall in die Schwächepolitik vergangener Jahre. Wer sich an Barack Obamas zögerlichen Umgang mit Teheran erinnert, weiß, wie schnell ein diplomatischer Hoffnungsschimmer zur strategischen Katastrophe werden kann. Damals wie heute gilt: Iran nutzt jede Geste der Nachgiebigkeit als Einladung zur Eskalation.
Washington steht vor einer Entscheidung von enormer Tragweite: Will man ein Regime, das regelmäßig die Auslöschung Israels fordert, wirklich mit weniger und nicht mit mehr Druck begegnen? Oder ist die neue Zurückhaltung nur ein taktisches Manöver auf Zeit?
Eines ist sicher: Für Teheran gibt es aktuell keinen Grund zur Eile – es sieht sich in der stärkeren Position. Und das liegt vor allem daran, dass Amerika gerade schweigt, wo es Klartext reden müsste.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: By Khamenei.ir, CC BY 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=46833161
Artikel veröffentlicht am: Dienstag, 3. Juni 2025