„Danke Allah, es war nicht Israel“ – Das iranische Regime und seine Angst vor der Wahrheit
Ein Jahr nach dem Tod von Präsident Raisi zeigt sich: Die größte Sorge in Teheran war nicht die Tragödie selbst – sondern die Möglichkeit, dass Israel dahinter stecken könnte.

Der Tod von Ebrahim Raisi hat das Regime in Teheran nicht nur erschüttert – er hat vor allem eines offengelegt: die tiefsitzende Paranoia, die Angst, die Schwäche. Nicht der Verlust eines Präsidenten stand im Mittelpunkt der Reaktionen, sondern der Verdacht, das verhasste Israel könnte den Absturz des Hubschraubers inszeniert haben. Außenminister Abbas Araghchi sagte es nun deutlich: „Wir waren sehr besorgt, dass es sich um eine Verschwörung unserer Feinde handelt – des zionistischen Regimes.“
Ein Jahr ist vergangen seit jenem Flug über die rauen Berge an der Grenze zu Aserbaidschan, der zum letzten für Raisi wurde. An Bord: ein Präsident, ein Außenminister, enge Vertraute des Regimes – und eine politische Zukunft, die nie mehr Wirklichkeit werden sollte. Der Absturz hat ein Machtvakuum hinterlassen und eine Spur von Fragen, auf die das Unrechtsregime nur eine Antwort wirklich fürchtete: War es Israel?
Dass Araghchi nun öffentlich bekräftigt, „Gott sei Dank, das war nicht der Fall“, ist mehr als eine Verteidigung der offiziellen Version. Es ist ein Eingeständnis. Nicht der plötzliche Tod eines brutalen Diktators wie Raisi – dem „Schlächter von Teheran“, wie er von iranischen Dissidenten genannt wurde – ließ die Funktionäre in Panik verfallen. Es war die Vorstellung, der Erzfeind könnte so tief in die iranische Sicherheitsarchitektur vorgedrungen sein, dass er einen gezielten Schlag ausführen kann – mitten im iranischen Luftraum.
Der Mythos vom reinen Zufall
Die offizielle Untersuchung schloss schnell ab: schlechte Wetterbedingungen, schwieriges Gelände, menschliches Versagen. Ein tragischer Unfall. Punkt. Doch jeder, der sich mit dem iranischen Apparat auskennt, weiß: Derartige Erklärungen dienen in erster Linie der Legitimierung nach innen. Der wahre Gegner ist nicht die Wahrheit – sondern der Kontrollverlust.
Denn Raisi war kein gewöhnlicher Präsident. Er war Zögling und Favorit von Revolutionsführer Khamenei. In vielen Szenarien war er als dessen Nachfolger vorgesehen. Sein plötzlicher Tod riss nicht nur eine Lücke ins Machtgefüge, sondern unterbrach auch eine geplante dynastische Kontinuität. Die Angst vor israelischer Einmischung war deshalb mehr als symbolisch – sie zielte auf das Herz der islamischen Republik: ihre Unverletzbarkeit.
Der Atomstreit: das Pulverfass bleibt
Gleichzeitig verschärft sich der Ton im Atomstreit. Während Araghchi noch beteuert, dass der Hubschrauberabsturz kein israelischer Anschlag war, versichern andere iranische Funktionäre beinahe trotzig, dass man weiter Uran anreichern werde – mit oder ohne Abkommen. Der ehemalige Chefunterhändler Majid Takht-Ravanchi erklärte: „Die Gespräche werden scheitern, wenn die USA auf dem Prinzip der Null-Anreicherung beharren.“
Die USA – unter Präsident Donald Trump – haben in den letzten Tagen ihre Haltung bekräftigt: keine Urananreicherung durch Iran. Der Sondergesandte Steve Witkoff nannte dies „eine unübersehbare rote Linie“. Damit steht fest: Die Differenzen sind nicht kosmetisch, sie sind fundamental. Und sie rücken das Land immer näher an den atomaren Abgrund – oder an einen neuen militärischen Konflikt.
Ein Regime in der Sackgasse
Der Iran steckt fest. Innenpolitisch geschwächt durch wirtschaftliche Krise, soziale Proteste und einen Führungsverlust, außenpolitisch isoliert und unter wachsenden Druck westlicher Mächte. In dieser Lage hilft nur noch ein altes Mittel: das Feindbild Israel. Es liefert Antworten, wo keine sind, es gibt Halt, wo Kontrolle verloren geht.
Aber was, wenn selbst das nicht mehr ausreicht? Wenn der Verdacht, Israel könnte für die tödlichste Episode im jüngsten iranischen Machtkampf verantwortlich sein, nicht mehr glaubwürdig dementiert werden kann?
Vielleicht hat Israel tatsächlich nichts mit dem Absturz zu tun. Vielleicht war es wirklich nur Nebel, Regen, ein überlasteter Pilot. Aber die Angst des Regimes erzählt eine andere Geschichte. Sie zeigt, wie tief das Misstrauen sitzt. Und wie sehr die Islamische Republik längst nicht mehr Herr im eigenen Haus ist.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: Von Tasnim News Agency, CC BY 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=58384533
Artikel veröffentlicht am: Dienstag, 20. Mai 2025