Macrons Versprechen, Britanniens späte Reue – und die alte Schuldfrage, die keine ist


Zwei der mächtigsten Länder Europas wollen Palästina anerkennen – und verkaufen es als späte „Wiedergutmachung“. Doch hinter Macrons und Lammys Pathos steckt ein riskantes Spiel mit Geschichte, Schuldgefühlen und Israels Sicherheit.

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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kündigt an, im September bei der UN-Generalversammlung einen palästinensischen Staat anzuerkennen. Kaum waren die Worte ausgesprochen, folgte aus London die zweite Welle: Premierminister Keir Starmer und Außenminister David Lammy wollen denselben Schritt gehen – und Lammy setzte noch eins drauf. Vor laufenden Kameras erklärte er, Großbritannien trage eine „historische Verantwortung“ für die Lage, die seit 1948 im Nahen Osten herrscht.

Diese Selbstbezichtigung, in arabischen Leitartikeln dankbar aufgegriffen, dient einer klaren politischen Inszenierung: Frankreich und Großbritannien stilisieren sich zu späten Gerechtigkeitsstiftern, die den „Fehler“ von vor über 100 Jahren korrigieren wollen. Gemeint ist die Balfour-Deklaration von 1917 – ein Brief des damaligen britischen Außenministers Arthur James Balfour an den Zionisten Lord Rothschild, in dem die britische Regierung ihre Unterstützung für die Schaffung einer „nationalen Heimstätte für das jüdische Volk“ in Palästina bekundete.

Wie aus einer Erklärung ein Mythos wurde
In der arabischen Presse von Kairo bis Beirut wird diese Erklärung bis heute als Ursprung allen Übels bezeichnet – als eine Art koloniale Verfügung, die „den Juden“ ein fremdes Land schenkte. In der Darstellung, wie sie etwa in der ägyptischen „Al-Masry Al-Youm“ erschien, gab es damals keine legitime jüdische Verbindung zu diesem Land, keine Gefahr für Juden in arabischen Ländern, keinen historischen Anspruch – und die Balfour-Erklärung sei daher ein Akt gewesen, der das Land den „falschen“ Menschen zusprach.

Was dabei systematisch ausgeblendet wird: Juden lebten seit Jahrtausenden in Eretz Israel, oft unter schwierigsten Bedingungen, und ihre Rückkehr begann lange vor 1917. Die zionistische Bewegung war keine europäische Almosenpolitik, sondern eine politisch-soziale Kraft aus dem Inneren des jüdischen Volkes. Balfour versprach keine „Übergabe“ Palästinas, sondern das Recht auf eine Heimstätte – ausdrücklich unter der Bedingung, dass die Rechte der bestehenden nicht-jüdischen Bevölkerung gewahrt werden.

Europäische Schuldumkehr – eine bequeme Projektion
Die in arabischen Leitartikeln beschworene „Ruhe und Harmonie“ zwischen Arabern und Juden in Palästina vor der Staatsgründung ist ein romantisiertes Bild, das mit der historischen Realität wenig gemein hat. Die ersten Pogrome gegen jüdische Gemeinden im britischen Mandatsgebiet fanden in den 1920er Jahren statt, Jahrzehnte vor 1948. Die Fluchtbewegung vieler arabischer Juden begann nicht wegen „zionistischer Aggression“, sondern wegen systematischer Diskriminierung, Enteignungen und Pogromen in arabischen Ländern nach der israelischen Unabhängigkeitserklärung.

Dass heute europäische Politiker, mehr als ein Jahrhundert später, die Balfour-Erklärung als historischen „Fehler“ darstellen, ist politisch bequem. Es lenkt von der eigentlichen Ursache des Konflikts ab – der jahrzehntelangen arabischen Ablehnung jeder jüdischen Staatlichkeit – und projiziert die Verantwortung zurück auf Europa, das sich so in einer moralischen Opferrolle inszenieren kann.

Symbolpolitik mit kurzen Halbwertszeiten
Spanien, Norwegen, Irland, Schweden, Slowenien – sie alle haben den palästinensischen Staat bereits anerkannt. Kanada und Australien denken darüber nach. In arabischen Kommentaren ist von einer „historischen Wende“ die Rede. Tatsächlich handelt es sich um symbolische Akte, die keine Veränderungen vor Ort erzwingen. Gaza bleibt in den Händen der Hamas, eine Organisation, die in ihrer Charta die Zerstörung Israels fordert. Die Palästinensische Autonomiebehörde in Ramallah ist politisch gelähmt, wirtschaftlich abhängig und in den Augen vieler Palästinenser diskreditiert.

Ohne Sicherheitsgarantien für Israel, ohne Entwaffnung der Terrorgruppen und ohne tiefgreifende politische Reformen auf palästinensischer Seite wird aus einer Anerkennung kein lebensfähiger Staat entstehen, sondern allenfalls ein international aufgewertetes Konfliktgebiet.

Die USA – Zünglein an der Waage
Vier ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrates – China, Russland, Frankreich und Großbritannien – wollen die Anerkennung vorantreiben. Die USA stehen vor der Frage: Veto oder Enthaltung? Präsident Donald Trump hat bislang zurückhaltend, aber nicht kategorisch ablehnend reagiert. Historisch gesehen haben die USA Resolutionen zur palästinensischen Staatlichkeit im Sicherheitsrat mehrfach blockiert – nicht aus „blinder Parteinahme“, sondern weil sie die Sicherheit Israels als Vorbedingung sehen.

Für arabische Kommentatoren ist ein amerikanisches Veto das letzte Hindernis. Für Israel ist es die letzte Verteidigungslinie gegen eine diplomatische Front, die seine Sicherheitsinteressen im Namen einer „historischen Gerechtigkeit“ beiseiteschiebt.

Israel als „Regionalpolizist“ – Feindbild oder Realität?
Parallel dazu wird in Kommentaren wie in „Asharq Al-Awsat“ spekuliert, ob Israel nach den Kriegen gegen Hamas und Iran zu einer Art „Ordnungsmacht“ im Nahen Osten geworden sei. Dabei wird zwischen zwei Rollen unterschieden: dem kooperationsbereiten Stabilitätsfaktor und dem machtbewussten Hegemon.

Für Israels Gegner ist diese Deutung willkommen. Sie erlaubt es, jeden israelischen Einsatz – ob gegen iranische Waffenlieferungen in Syrien oder gegen Huthi-Angriffe im Roten Meer – als Ausdruck einer „Großmachtagenda“ darzustellen. Die Realität ist weniger dramatisch: Israel agiert aus strategischer Notwendigkeit, nicht aus imperialem Drang. Es gibt keine ernsthafte politische Mehrheit in Israel, die ein „Großisrael“ anstrebt – schon aus demographischen Gründen. Die Angst vor einer jüdisch-arabischen Bevölkerungsparität ist für israelische Politik realer als jede Landkarte nationalistischer Träumer.

Gefährliche Erwartungshaltungen
Je stärker die symbolische Welle der Anerkennungen rollt, desto größer wird die Enttäuschung sein, wenn sie vor Ort nichts ändert. In Gaza werden Anerkennungserklärungen keine Schulen aufbauen, in Ramallah keine Korruption beenden und an Israels Grenzen keine Sicherheit schaffen. Ohne dass Terrorismus klar verurteilt und bekämpft wird, bleibt jeder diplomatische Schritt ein Kartenhaus.

Fazit: Geschichte als Waffe – Gegenwart als Opfer
Macrons Versprechen und Lammys Selbstanklage bedienen ein altes Muster: Die Geschichte wird so erzählt, dass Israel als illegitimer Akteur erscheint und Europa sich als moralischer Befreier inszenieren kann. Doch Anerkennung ersetzt nicht Verhandlungen, Symbolpolitik ersetzt nicht Sicherheit, und Schuldnarrative ersetzen keine Wahrheit.

Die Balfour-Deklaration war kein kolonialer Raubzug, sondern der Versuch, zwei nationale Bewegungen miteinander zu versöhnen. Dass dies scheiterte, lag nicht an ihrer Existenz, sondern an der konsequenten Ablehnung jeder jüdischen Staatlichkeit durch ihre Gegner. Heute wird aus dieser Ablehnung eine historische „Rechnung“ konstruiert, die Israel bezahlen soll. Das ist weder Frieden noch Gerechtigkeit – es ist Geschichtspolitik auf Kosten einer ganzen Region.

Autor: Bernd Geiger
Bild Quelle: By Kremlin.ru, CC BY 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=84767483

Artikel veröffentlicht am: Montag, 11. August 2025

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