Skandalurteil aus München: Judenfeindliche Chat-Sprüche? „Nicht ernst gemeint“ – Polizist bleibt im Dienst
Ein Polizist, der als Leibwächter für jüdische Würdenträger arbeitet, äußert in privaten Chats offen menschenverachtende, rassistische und antisemitische Botschaften. Und das höchste Verwaltungsgericht Bayerns sagt: Er bleibt im Dienst. Ein Urteil, das mehr als nur fassungslos macht – es erschüttert das Vertrauen in Polizei und Justiz.

Was passiert, wenn ein Mann, der Menschen schützen soll, selbst zum Träger von Hassbotschaften wird? Im Fall des Polizisten Michael R. wird das Problem auf erschreckende Weise deutlich. Während er offiziell die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München, Charlotte Knobloch, und den israelischen Generalkonsul schützte, verbreitete er in privaten Chats offen den Wunsch, Knobloch möge in ein Konzentrationslager gebracht und vergast werden. Sätze, die niemand, der das historische Leid des Holocaust auch nur ansatzweise versteht, je für „nicht ernst gemeint“ erklären dürfte.
Doch genau das passiert: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof urteilt, dass aus den privaten Nachrichten keine ernsthafte verfassungsfeindliche Gesinnung abzuleiten sei. Man könne dem Polizisten nicht nachweisen, dass er die menschenverachtenden Aussagen tatsächlich so gemeint habe. Er habe sich die abstoßenden Worte lediglich im engsten Freundeskreis von der Seele geredet – eine „Insider-Witz“-Kultur, so das Gericht.
Diese Begründung ist nicht nur zynisch, sondern brandgefährlich. Wer in der Polizei dient, trägt eine hohe Verantwortung – gerade gegenüber Minderheiten und denen, die besonders geschützt werden müssen. Der private Kontext darf keine Schutzmauer für antisemitische Hetze sein. Denn wenn schon im Verborgenen Hass geschürt wird, kann das Vertrauen in die Institution Polizei niemals wiederhergestellt werden.
Der Polizeipräsident hatte den Beamten bereits 2020 suspendiert und im Februar 2021 den Dienstentzug verhängt – wegen seiner „über Jahre verfestigten Nähe zu rechtsradikalen und nationalsozialistischen Ideologieinhalten“. Das Vertrauen sei „irreparabel zerstört“, lautete die klare Ansage. Doch die Justiz setzte ihn zurück in den Dienst – lediglich eine Stufe in der Besoldung zurückgestuft, in den Innendienst versetzt.
Die Folgen sind fatal: Das Urteil öffnet Tür und Tor für jene, die in staatlichen Sicherheitsorganen Hass verbreiten. Es sendet das Signal, dass antisemitische und rassistische Hetze keine Konsequenzen haben muss, wenn sie nicht „ernst gemeint“ sei. Dabei zeigt die Geschichte eindrücklich, wie schnell solche „nicht ernst gemeinten“ Einstellungen in tödliche Gewalt münden können.
Antisemitismus ist keine Meinung, die man privat pflegen darf – er ist eine Bedrohung für Demokratie, Menschenwürde und Rechtsstaatlichkeit. Die Haltung des Gerichts jedoch scheint zu ignorieren, dass gerade Beamte eine besondere Treuepflicht zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung haben. Wer diese Grundwerte mit Füßen tritt, darf nicht Teil des Sicherheitsapparats sein.
Charlotte Knobloch bringt es auf den Punkt: Wer Schutz benötigt, muss darauf vertrauen können, dass er ihn von jenen erhält, die frei von Hass sind. Ein Polizist, der sich in rassistischen und antisemitischen Fantasien verliert, zerstört dieses Vertrauen nachhaltig. Dieses Vertrauen ist der Grundpfeiler unserer Gesellschaft – und es darf nicht leichtfertig verspielt werden.
Diese Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs ist ein deutliches Alarmsignal: Deutschland steht noch lange nicht an einem Ende des Kampfes gegen Antisemitismus – auch nicht innerhalb der eigenen Institutionen. Es braucht klare Haltung, mehr Sensibilität und vor allem: Konsequenzen. Sonst droht die Normalisierung von Hass auch dort, wo sie am wenigsten hinpasst.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: Von Henning Schlottmann (User:H-stt) - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=139108095
Artikel veröffentlicht am: Donnerstag, 3. Juli 2025