„Juden verboten“: Brandenburgischer Schneider löst antisemitischen Skandal aus – und redet sich heraus
Facebook-Post ruft nach Hausverbot für Juden – nun ermittelt die Polizei wegen Volksverhetzung. Doch statt Einsicht folgt ein fragwürdiges Schauspiel der Schuldzuweisungen.

Was wie ein Scherenschnitt aus finstersten Zeiten wirkt, ist in Deutschland im Jahr 2025 Realität: Ein Schneiderbetrieb im brandenburgischen Kleinmachnow verkündet via Facebook ein „Hausverbot für Juden“ – mit Verweis auf den Wunsch nach Frieden. In einer Zeit, in der antisemitische Übergriffe in Europa zunehmen und Israel unter internationalem Beschuss steht, wirkt dieser Vorfall wie ein Schlag ins Gesicht jedes Menschen mit Gewissen. Die Reaktion? Ausflüchte, Ablenkung und ein angeblicher Hackerangriff.
Am Sonntagmorgen erschien auf der Facebook-Seite der Änderungsschneiderei „Yörük I“ eine kaum verständliche, dafür umso drastischere Botschaft: „Ab heute in meinem beinenbetrieb darf keine Jude eintreten nämlich wir wollen Frieden haben keine Krieg, deshalb jede Jude hat oder Israeli in meinem beidem Laden Hausverbot.“ Der Post, in fehlerhaftem Deutsch geschrieben, verschwand kurz darauf wieder – doch das Entsetzen blieb.
Tags darauf steht die Polizei vor dem Ladengeschäft von Osman Uyar. Der Inhaber ist zunächst wortkarg – dann schiebt er die Schuld auf seinen Sohn Mehmet, der einen zweiten Schneidereibetrieb in Calau betreibt. Der Vater sagt: „Ich war das nicht. Mein Sohn hat das geschrieben.“ Und: „Für mich sind alle Menschen Menschen.“ Ein Satz, den man oft hört, wenn jemand in Erklärungsnot gerät.
Doch auch der Sohn will es nicht gewesen sein. Mehmet Uyar behauptet, seine Seite sei gehackt worden. Wie glaubwürdig ist das? Der fragliche Post ist in einem Deutsch geschrieben, das nicht unähnlich jenem ist, das Vater und Sohn im Gespräch verwenden. Ein Hacker, der zufällig im Stil des Betreibers postet? Darüber hinaus fällt auf, dass Mehmet Uyar in sozialen Medien mehrfach den sogenannten „Wolfsgruß“ zeigt – das Symbol der türkisch-ultranationalistischen und rechtsextremen Grauen Wölfe, die in Deutschland unter Beobachtung stehen.
Wer der Urheber des Posts ist, scheint in der Familie niemand so recht erklären zu wollen. Vater und Sohn zeigen in Interviews gegenseitig mit dem Finger aufeinander oder auf nebulöse Dritte. Mehmet beteuert: „Ich bin Geschäftsmann, mir ist egal, ob Jude, Muslim, Christ.“ Doch warum behauptet der Vater dann das Gegenteil? Sprachprobleme, sagt Mehmet. Sein Vater habe ihn missverstanden. Oder falsch ausgedrückt. Oder beides.
In der Zwischenzeit hat die Polizei Ermittlungen aufgenommen – wegen Volksverhetzung. Wer konkret ins Visier gerät, will die Polizei aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht mitteilen. Eine sogenannte Gefährderansprache sei geplant, so Polizeisprecherin Stefanie Wagner-Leppin. Ob das genügt, um die Öffentlichkeit zu beruhigen, ist fraglich.
Denn dieser Vorfall steht nicht für sich allein. Er reiht sich ein in eine wachsende Liste antisemitischer Ausfälle, die in Deutschland zunehmend gesellschaftsfähig zu werden scheinen. Mal tarnt sich der Hass als Israelkritik, mal als Kulturkampf, mal als vermeintliche Meinungsfreiheit. Die Grenzen zwischen Naivität, bewusster Hetze und ideologischer Verblendung verschwimmen.
Besonders verstörend ist dabei die Leichtigkeit, mit der ein offener Ausschluss jüdischer Menschen öffentlich gepostet werden konnte – und wie schnell die Schuld auf andere geschoben wird. Ob auf Hacker, Sprachbarrieren oder Missverständnisse: Das Muster ist bekannt. Verantwortung wird verweigert. Konsequenzen? Unklar.
Doch eines ist gewiss: Wer so redet, der denkt auch so. Und wer meint, jüdische Kundschaft „der Ruhe zuliebe“ ausschließen zu dürfen, offenbart mehr über sich selbst als über die Menschen, die er ausgrenzen will. Gerade in Brandenburg, wo die Geschichte uns lehren sollte, wohin Ausgrenzung, Hass und Verharmlosung führen, ist ein solcher Vorfall mehr als ein Betriebsunfall. Er ist ein Warnsignal.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: symbolbild
Artikel veröffentlicht am: Montag, 16. Juni 2025